Montag, 25. Februar 2008

Bekenntnisse eines Präsidenten

(Aus den gerade erschienenen Confessiones des Nicolaus Lutetiensis)

Groß bist Du, o Herr, und höchsten Lobes würdig, groß Deine Tugend und Deine Weisheit, und wohl weiß ich um die Ehre, die Du mir unter all den Sündern dieser Erde zu Teil werden ließest. Denn als Einzigen schufest Du mich, um Dir zu nahen an Größe und Weisheit gleich, um walten zu lassen Deinen Willen wie Gott in Gallien. Mit schweren Prüfungen säumtest Du meinen Weg hinauf zu Dir, doch einzig der Wunsch, Dir nah zu sein, nährte mich im finsteren Tale und gab Kraft, den Dämonen zu widerstehen und Sirenen, die mit süßem Gesang mich lockten in den stinkenden Schlamm ihrer Mittelmaßes und ihrer Verkommenheit. Vergib mir, dass ich den Lockungen der Monogamie nicht stärker die Stirn bat - noch wusste ich nicht, dass nur Du es bist, der den Hunger meiner Seele zu stillen im Stande ist. Und als ich noch irrte, zwar schon fühlte, dass meine Seele strebet hinauf zu Dir, war ich doch gefesselt von Anstand und Rechtschaffenheit, jenen Verirrungen früher Jugend.

(Botticelli: Der heilige Augustinus beim Studium. Firenze, Chiesa di Ognissanti)

Gespalten lag ich hernieder, mein Innerstes aufgewühlt im Wissen um den Weg hinauf an Deine Seite, doch hielten mich eitle Moral und Familie ab, ihn zu gehen, hielten zurück mich zu weilen an Deiner Seite, oh Herr. Und als der grimmige Sturm mein Innerstes durchwühlte und meine Tränen schon benetzten den Boden, da erhob ich meine Hände hinauf zu Dir und flehte "Wann, oh Herr, wann wirst Du aufhören mir zu zürnen? Lass ab von mir, vergiss meine Sünden und mein Säumen! Warum setzt kein Ende Du meinem Mittelmaß?" Und während ich noch rief, erhörte ich eine Stimme, tief-rauchig erklang sie und rief "tolle, ede!" Als ich mich wandte, woher ich die Worte vernommen, erblickte ich eine Frau in braunem Gewande, einen Apfel mir reichend. Gierig griff ich den Apfel, den Du mir darreichtest durch jene Frau, denn von himmlischer Süße war er, süß von Deiner Erkenntnis und dem Wissen um Dich. So wie ich Dich geschmecket, spürte ich den wachsenden Hunger nach Dir, und so nahte ich dem Weibe, in welchem Du mir erschienst, um Dir nah zu sein, Dich zu erkennen, gleich zu sein Dir, o großer Gott.

Denn hinauf zu Dir streben wir, nach Dir suchen wir, mit Dir wollen wir eins sein, oh Herr, und wer anklopfet an Deine Pforte, dem wird geöffnet und er findet Aufnahme in unser beider Reiche.

Die Venus von Seoul

Die Venus von Milo. Inbegriff von Grazie und makelloser Schönheit. In ein kunstvoll gearbeites, faltenreiches Gewand gehüllt, entsteigt der Körper umso jugendlicher jener textilen Hülle. Ein wahres Monument westlichen Schönheitsideals ...
... und wie jedes markante Monument bedient auch dieses einen asiatischen Schlüsselreiz:

Doch wohlgemerkt handelt es sich bei der Person, die sich vor dem Monument ablichten lässt, nicht um eine Japanerin, sondern mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um eine Koreanerin. Und so wollen wir einen kleinen Exkurs gen Osten wagen und einen Blick werfen in die wundersame Welt koreanischer Dresscodes und femininen Habitus!

Der eindeutige Korea-Indikator auf dem obigen Bild aus dem Louvre ist die körperunbetonte Blümchenhose. Denn passiert eine koreanische Frau die 30, sprießen ihr Blümchen am ganzen Körper, zumeist in der Beinregion.
















Darüber hinaus scheint sich die Sonnenempfindlichkeit der nicht mit Blümchenmuster überzogenen Hautpartien immens zu steigern. So wird ein Höchstmaß an Rüstzeug aufgefahren, um Phoebus' harten Bräunungsstrahl abzuwehren:















Die koreanische Frau jenseits der 30 - auf koreanisch auch ajuma genannt - ist der Nerv im Rückgrat der koreanischen Gesellschaft. Als machtreiche Matrone kontrolliert sie den oikos mit eisener Hand, die sie dezent hinter einem weissen, sonnenschützenden Seidenhandschühchen verbirgt (siehe oben links). Doch spätestens im Kampf um einen Metro-Sitzplatz legt die ajuma sämtliche Bandagen ab und offenbart ihren harten Opportunismus. Gerade in der Metro ist sie - weniger als liebreizendes Wesen als vielmehr als Trägerin zahlreicher Kaufentscheidungen - ein viel umworbenes Wesen. Denn vor allem im Interesse ihrer eigenen Optik tätigt sie volumenreiche Investitionen, z.B. für die obligatorische füllige Dauerwellenfrisur, oder wie gesagt für ein reichhaltiges Arsenal an Blümchenkleidung:

Wer sich einer ajuma in Hoffnung auf Abschluss eines Kaufvertrags nähert, sollte also an ihre Urinstinkte apellieren. Getrieben von der Angst vor Sonnenbräune fühlt sie sich wohl und sicher in tiefen Metroschächten. Ebenda nähere man sich ihr als Verkäufer im blümchenbewehrten Schafspelz. Mit Gurkenscheibchen garniert stehen die Chancen gut, den tiefsten Wunsch der ajuma - jung, schön und begehrt zu sein - anzusprechen. Und damit dieser auch unsere Stimme im Lärm der Großstadt deutlich vernimmt, bediene man sich elektronischer Stimmverstärkung. Da müsste es mit dem Teufel zugehen...

... würde sich nicht eine ajuma zum Kauf eines Gurkenrasplers verführen lassen, welcher ihr eine Haut von der Glätte verspricht, die den Vergleich mit dem makellosen Marmor einer Venus von Milo nicht scheuen braucht!


Studium - und dann?

Dumm gelaufen als gemütlicher Zivi mit Migrationshintergrund:

(Aus: Deutsche Allgemeine Zeitung, 20.11.1938)

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Samstag, 23. Februar 2008

Schrotts Diluvium

Und es tritt kein Verständiger hervor
gegen den Riesenfluss heisser Luft,
mit mächtigem Wall zu brechen
die unzwingbaren Woge von Schrott?

(frei nach Aischylos Persern, 86f:)

δόκιμος δ’ οὔτις ὑποστὰς
μεγάλῳ ῥεύματι φωτῶν
ἐχυροῖς ἕρκεσιν εἴργειν
ἄμαχον κῦμα θαλάσσας

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Wo nur der Papst Gassi gehen darf

Freitag, 22. Februar 2008

Europa und attische Wurzeln

Dass die Wurzeln Europas in Athen liegen, scheint auf meist wenig hinterfragte Weise anerkannt zu sein. Wie wörtlich das Wort "Wurzeln" jedoch dabei manchmal zu verstehen ist, gibt ein humanistischer Kommentar zu den Pandekten Iustinians zu bedenken (16. Jhdt):

"Woraus es nach der Lex Iulia über Ehebruch - da diese gestattet, einen ertappten Ehebrecher zu töten - in noch höherem Maße rechtens sein wird, dass dieser einer entehrende Handlung unterzogen wird, was die Athener "rettichen" nannten."
(zur weiterführenden Lektüre empfiehlt sich an dieser Stelle Catulls carmen XV ad Aurelium)

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Phistophicles: Lesser-known Greek philosopher



  • On Plato's Republic: "It's good. It's no Da Vinci Code, but - it's good."
  • "Toga parties make no sense to me."

Freitag, 15. Februar 2008

Poussin statt Propecia

Äh ja. Der Quellennachweis steht noch auf. Heisse Spuren: Fragmente des Neoterikers Calvus, oder Polemiken gegen Julius Caesar ...

5 Kilo in nur sieben Tagen!

Low-Carb war gestern! Der neue Kohlenhydrate-Killer stammt aus Deutschland: Schlank mit der Singular-Diät!

Dienstag, 12. Februar 2008

Der Weltkrieg der Götter

Vor einigen Tagen erstand ich in einem kleinen Antiquariat eine Anthologie altgriechischer Lyrik. Es war nicht das erste Mal, dass mir beim Blättern durch die Altersduft verströmenden Seiten ein Dokument aus vergangenen Zeiten entgegen segelte. Doch was ich als zusammengelegten Zeitungsausschnitt in dem Buch fand, entfaltete sich zu einem beeindruckenden Zeugnis jüngerer Geistesgeschichte:

Das über dem Titel prangende DAZ steht für die "Deutsche Allgemeine Zeitung". Ihr Vorgänger, das "Norddeutsche Volksblatt", war seinerzeit das Sprachrohr Bismarcks. Die entsprechend konservative Haltung sollte die Zeitung über die meiste Zeit hinweg beibehalten bis zu ihrer Gleichschaltung nach der Machtergreifung Hitlers.
Der Verfasser, Maximilian von Hagen, fügt sich recht gut in die konservative Tradition der Zeitung. Er war als Historiker und Publizist tätig und ist Autor einiger Bücher über Bismarck und seine Politik. In einem seinen Bücher verrät er dem Leser kurz vor Niedergang der Weimarer Republik den Antrieb zu seinen Forschungen über diesen "größten Staatsmann": Durch diese wolle er beitragen "zur Vorbereitung desjenigen Bismarckbildes, das unserer Zeit als Ideal vorschweben muß".1

("Dropping the pilot" aus der englischen Zeitschrift The Punch)

Ausgangspunkt des Artikels, um welchen es sich an dieser Stelle dreht, sind die Eindrücke des Verfassers nach einer Komplettlektüre von Ilias und Odyssee, nachdem er diese Werke nach dem Gymnasium mal wieder in die Hand nahm.

Der Autor spielt hier auf die Ergebnisse der Homerforschung der vergangenen Jahrzehnte an. Und in der Tat hatte sich von Verlassen des Gymnasiums bis zum Erscheinen des Artikels 1939 einiges getan in der Homerforschung. Das Bild der eingestürzten Welten, das von Hagen zeichnet, greift die Forschungsrichtung der sogenannten Analyse auf, der Ulrich von Wilamowitz-Möllendorff 1916 zu ihrem Zenit verholfen hatte. Hierunter fasst man verschiedene Forschungsansätze zusammen, welchen jedoch allen die Ansicht gemein ist, dass Ilias und Odyssee nicht von einer einzigen Person verfasst wurden, sondern eine Reihe von mündlich überlieferten Gesängen darstellen, die schließlich in einer Endredaktion zusammengefügt wurden. Schon in vorherigen Jahrhunderten, spätestens jedoch nach Friedrich August Wolfs Prolegomena ad Homerum war das Bild des blinden Ependichters Homers als Verfasser von Ilias und Odyssee mehr und mehr entzaubert worden.

Schiller umschrieb dieses Schicksal Homers mit dem folgenden Distichon:
Sieben Städte zankten sich drum, ihn geboren zu haben,
nun, da Wolf ihn zeriss, nehme sich jede ihr Stück!
Dass Ilias und Odyssee nicht auf eine gemeinsame Autorenperson zurückgehen können, greift von Hagen auf. Diese Ansicht ergibt sich für ihn aus der Gesamtlektüre der beiden Werke:

Doch worin genau sieht von Hagen den Unterschied, der eine identische Autorenschaft ausschließt? Im Folgenden führt er aus, dass er diese vor allem in der "geistigen Gesamthaltung des Ganzen" festmacht:

Zwei interessante Punkte der Homerforschung erwähnt von Hagen hier, erstens die Einschübe von dritter Hand und zweitens die Entdeckungen Schliemanns.
Dass das Verhältnis zwischen Text und archäologischen Funden bei weitem nicht so eindeutig ist, wie es von Hagen darstellt, zeigte sich zuletzt in der 2001 wütenden Korfmann-Kolb-Debatte.

(Schliemann begießt mit seiner Frau den Fund des Schatz des Priamos, während Hilfskräfte in der Mittagssonne den Rest aufräumen dürfen)

Neben Schliemann erwähnt von Hagen ausserdem "Einschübe von dritter Hand", sogenannte Interpolationen. Am berühmtesten ist die Theorie, dass der Staatsmann Solon Verse in den Schiffskatalog des zweiten Buches der Ilias einfügen ließ, um in Auseinandersetzung mit den Megarern den Anspruch Athens auf die Insel Salamis zu festigen (Il. 2, 557f):
Αἴας δ’ ἐκ Σαλαμῖνος ἄγεν δυοκαίδεκα νῆας,
στῆσε δ’ ἄγων ἵν’ Ἀθηναίων ἵσταντο φάλαγγες.

Aias aber führte zwölf Schiffe aus Salamis an,
und stellte sie dorthin, wo standen die Schlachtreihen der Athener.

(Beschreibung dieser Stelle in den Annotationes des Humanisten Guillaume Budé (1508))
Interessanter als homerische Interpolationenforschung erscheint jedoch an dieser Stelle die Sprache, welcher sich von Hagen bedient. So bezeichnet er Einfügungen in Ilias und Odyssee, mit welchen spätere Generationen die Werke in höherem Maße als Einheit erscheinen lassen wollten, als "Gleichschaltungsversuche" - eine nicht uninteressante Formulierungsweise in einem 1939 erschienenen Artikel. Wir fühlen uns ein wenig an Victor Klemperers "LTI" erinnert, und lesen geschärften Auges weiter:

Niemand hat nach der Erfahrung des zweiten Weltkriegs generell die Methode und Inhalte humanistischer Bildung mehr in Frage gestellt als Heinrich Böll in seiner Erzählung "Wanderer kommst du nach Spa..." Aber Achill - nein, er ist in der Tat kein Vorbild, kein Inbegriff eines besonnenen Überlegers. Vielmehr erscheint er nicht selten als verzogenes Kleinkind - jedoch als Kleinkind mit beträchtlicher Kampfkraft. Das Grundmotiv der Ilias, der Zorn des Achills, äussert sich an zahlreichen Stellen - im Groll beispielsweise darüber, dass Agamemnon ihm seine Liebessklavin weggenommen hatte, oder in der rasenden Vernichtungswut nach dem Tod seines geliebten Patroklos. Von Hagen sieht dieses Handeln der christlichen Gnade unterlegen:

Doch der Verfasser führt im Weiteren aus: Keiner der antiken Helden ist voll verantwortlich für seine Taten, da sie Werkzeuge in der Hand der Götter sind. Er enthebt die Helden eines Teils der Verantwortung für ihr Handeln - das sich bei Achill vom Niedermetzeln bis in das rachsüchtige Opfern von Gefangenen erstreckt. Denn diese föchten ja lediglich einen Stellvertreterkrieg für die Götter aus. Der besonnenste unter den untergangsgeweihten Trojanern, Hektor, habe verinnerlicht, dass er sich als Mensch diesem Herrschaftsprinzip fügen muss:

Unsere seit der "Gleichschaltung" sensiblen Ohren horchen erneut auf beim Begriff der Obersten Heeresleitung. Wir wissen um den weiteren Verlauf der Geschichte und des bald einsetzenden Krieges, in dem die Völker sich in ungeahntem Maße zerfleischten. Und bis heute diskutieren wir über die Frage der Verantwortung derer, die der "Obersten Heeresleitung" folgten. Gerade die Frage des Unterwerfens wurde später von Theodor Adorno aufgegriffen, welcher in der Figur des Odysseus den Prototyp der modernen Menschen sah, gerade weil er sich nicht dem Schicksalsplan der Götter blind unterwirft, sondern seine Geschicke selbst in die Hand nimmt.
Doch ob sich ein Frontsoldat unter den Umständen der letzten Kriegsjahren hinsichtlich seiner Freiheit und Schuld eher mit diesem autonomen Handlungsmodell der Odyssee identifiziert, oder dem obrigkeitsabhängigen der Ilias aus ihrer "führeren, barbarischen Entstehungsperiode" , darüber möchte ich nicht urteilen.

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Literaturhinweise:
1) Hagen, Maximilian v.: Das Bismarckbild der Gegenwart. Berlin 1929. [s. dort im Vorwort]

Die Geburt des Romans aus dem Genetiv

Es gibt Bücher, die verdanken ihre Popularität wohl primär einem prägnanten Titel. "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins" ist ein schönes Beispiel hierfür - was mit James Joyce's Ulysses wohl zu den Büchern gehört, über welche man spricht, die man aber nicht liest. Was Voltaire übrigens auch über den großen Pindar gesagt hat.

Besonders wichtig, da Aushängeschild im Bücherladen, ist bei der Gattung der Historischen Romane der Titel. Wer sich ein wenig mit diesen auseinander setzt, wird sich mit etwas wissenschaftlicher Intuition nicht des Verdachts erwehren können, dass die Wahl der Titel der Bücher - von den Inhalten wollen wir schweigen - einem fixen Schema folgt. Und so wollen wir an dieser Stelle eine kurze Abhandlung liefern über das Auffinden des rechten Titels für einen Erfolg versprechenden Historischen Roman!

Schema
Auf einer abstrakten Ebene scheint sich für die Gestaltung eines wohlklingenden und vielversprechenden Titels folgendes Modell bewährt zu haben:
Nomen A + Nomen B im Genetiv
Was sich hinter diesem Schema verbirgt, versuche ich nun im Folgenden mit Inhalt zu füllen. Beginnen wir mit Nomen B:

I) Nomen B ist zwingend ein Substantiv aus der Menge
  1. der Berufsbezeichnungen,
  2. der Herrschaftsbezeichnungen, oder
  3. der religiösen Titel.
Dieses sollte nach Möglichkeit antiquiert, selten, und exotisch klingen für heutige Ohren.

1.) Hinsichtlich der Berufsbezeichnungen ist zu beachten, dass die Berufe in Verbindung stehen mit Produkten, die man in der Regel zu überteuerten Preisen in noblen Souvenirläden an Flughäfen oder im Manufactum-Katalog bekommt (z.B. unhandliche Würfel von Marsilia-Seife aus echtem Olivenöl, kratzig-rauhes Naturleinen, oder Büttenpapier mit echter Florentiner Lilie als Wasserzeichen aus dem versteckten und erst von uns im letzten Toskana-Urlaub entdeckten Papierladen in Florenz).

Als einige Beispiele seien in alphabetischer Reihenfolge genannt:
Glasbläser, Glasmaler, Tuchhändler, Salzsieder, Seifensieder, Wachsmaler, Zuckerbäcker.
Eine entsprechende Wahl des Nomen B ist zu empfehlen, da dieses Element des Titels in einer Zeit industriell gefertigter Massenware die Sehnsucht befriedigt nach authentischen, liebevoll gefertigten Produkten aus den Händen erfahrener Meister ihrer Kunst. Die Air vergangener Zeiten versprühen auch archaische Berufsbezeichnungen aus dem Sektor der Dienstleistungen wie:
Falkner, Henker, Wanderhure
2.) Hinsichtlich einer Herrschaftsbezeichnung ist ähnlich zu verfahren wie unter (1). Als Beispiele bieten sich an:
Herr, Kaiser, König, Markgraf
3.) Aus dem Bereich der religiösen Titel nenne ich nach gleichem Schema als Beispiele:
Augur, Druide, Papst, Runenmeister, Seher, Templer
Seine volle Wirkung entwickelt das Nomen B jedoch nur durch eine Technik, die ich als gender swap bezeichnen möchte. Dahinter versteckt sich die Feminisierung der zuvor unter (1.), (2.) und (3.) ausgeführten Bezeichnungen. Als Beispiele für diesen Prozess seien aus den jeweiligen Bereichen zu nennen:
  1. Glasbläser => Glasbläserin, Falkner => Falknerin
  2. Kaiser => Kaiserin, Markgraf => Markgräfin
  3. Druide => Druidin, Seher => Seherin, Papst => Päpstin
Der gender swap spielt mit der allgemeinen Vorstellung von Frauen und Beruf in vergangenen Jahrhunderten, indem er mit dieser Erwartungshaltung bricht und auf diese Weise einen innovativen Ansatz suggeriert. Soweit zu Nomen B.

II) Nomen A stellt in der Regel ein Substantiv dar aus der Menge der
  1. Produkte oder Werkzeuge der zuvor genannten Berufe, oder
  2. Verwandtschaftsgrade
1.) Produkte oder Werkzeuge aus dem Dunstkreis der in I) genannten Berufsgruppen sind zum Beispiel:
Amulett, Balsam, Bogen, Dolch, Kristall, Schleier
2.) Verwandtschaftsgrade sind zum Beispiel:
Enkel, Nichte, Onkel, Schwester, Sohn, Tochter
So ergeben sich nach zuvor erwähnten abstrakten Schema
Nomen A + Nomen B im Genetiv
z.B. folgende ungemein vielversprechenden Titel:
  • "Die Tochter der Glasbläserin"
  • "Der Schleier der Kaiserin"
  • "Der Bruder der Falknerin"
  • "Das uneheliche Kind des Lumpensammlers"
  • "Der Sohn des Kartenzeichners" (Cover-Vorschlag s.u.)
Hinsichtlich der inhaltlichen Bandbreite sind gewisse Variationen zulässig. Unerlässlich jedoch ist der Fall, d.h. das Nomen B im Genetiv, ohne welchen kein Historischer Roman Aussicht auf Erfolg hat. Es besteht unter gewissen Bedingungen lediglich die Möglichkeit, Nomen B allein als Titel zu verwenden. Hierbei empfiehlt sich doch das Voranstellen einer Ordinalzahl im Bereich von 1 bis 13. So sind z.B. auch Titel denkbar wie:
  • "Die elfte Königin"
  • "Der vierte Templer"

Ausblick

Um einen Impuls in dieses in sich begrenzte und inzestiöse System zu geben, plädiere für den reversed gender swap. Denn ich finde, auch Schicksale von Männern, die in typisch weibliche Berufsdomänen eindringen, verdienen der spannenden, historisch-literarischen Ausarbeitung. Und so hoffe ich auf baldiges Erscheinen von Titeln wie "Das Amulett des Hebammerichs", "Die Nichte des Harfisten" und "Die Braut des Wandercallboys".

Von einer Transponierung dieses Schemas in neuere Zeiten rate ich vorerst noch abzusehen, denn die Zeit scheint nicht reif für "Die Tochter der Diplomverwaltungsfachwirtin (FH)". Noch nicht.

Freitag, 8. Februar 2008

Iustitia distributiva

Ausgehen wollen wir für unsere Bildinterpretation von der Allegorie am linken Bildrand. In ihr entdecken wir die Sparsamkeit, dargestellt in der klassischer Ikonographie mit Schottenmuster. Die Wirklichkeit, welche hier als Künstlerin am Werke ist, positioniert sie am Rande der Gesellschaft. Sie erfährt durch das explizite "BAD BOY" auf der Kleidung eine zusätzliche soziale Stigmatisierung. Sie setzt sich ab vom Reste der Masse, und unbeschirmt ist sie den Elementen ausgesetzt, während sich der restliche Pöbel hin zum beweglichen Podium der Jecken am rechten Bildrand drängt. Diese schleudern, erhöht über der Gesellschaft thronend, gönnerhaft-jovial Kamellen zum Prekariat hinab.

Diese Art der Güterverteilung orientiert sich in ihrer Willkürlichkeit an keinerlei Maßstäben hinsichtlich Verdienst oder Bedürftigkeit der Bürger. Auf die politische Dimension der sozialen Gerechtigkeit verweist die Wirklichkeit, indem sie die Jecken in den gleichen Farben darstellt, in der auch der Schriftzug der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands von der linken Häuserfassade prangt. Die größtmögliche räumliche Entfernung zwischen diesen beiden Elementen unterstreicht das Gefälle zwischen Sein und Sollen. So kehren wir heim, stellen das Strüssje in die Vase, reichen den Gästen sandige Schokolade, und fragen uns betroffen, ob wir diese Brosamen des Zochs eigentlich verdient haben ...

Nachtrag:
Das römische Recht kennt einen eigenen Ausdruck für die Geschenkchen, welche der Kaiser von der Tribüne herab unter das bettelnde Volk warf: der iactus missilium!

Unten eine Abbildung vom Konstantinsbogen in Rom, der den Kaiser beim Verteilen eben solcher Geschenklein zeigt. Ob es sich um billige Süssigkeiten und Blumensträuße handelt, verschweigt uns der vom imber edax malträtierte Marmor...


Quintili Vare, legiones redde!


Verhandlungen haben Erfolg: Fast 2000 Jahre nach der Schlacht im Teutoburger Wald kehren die letzten römischen Legionen aus Kölner Kriegsgefangenschaft zurück!

Fahren nach Zahlen

Das Schaubild der Fahrtrichtungsfunktion schneidet orthogonal die beiden Parallelen, welche am nächsten zur x - Achse liegen. Im Intervall von x = 1,5 bis 2,5 nimmt sie Form einer Geraden ein mit einem Proportionalitätsfaktor größer als 2. Für x = 2,6 ist ein Wendepunkt der Funktion einzurichten (f"(x) = 0)), welcher auf der drittobersten Parallele zur x - Achse liegt. Ab diesem Punkt ist die Funktion in Form einer promilleverdächtigen, gegen x = 0 strebenden Sinusfunktion einzurichten, welche sich im Intervall der y - Werte der zweit- und drittobersten Parallele zur x - Achse bewegt. Ordnungswidrigkeiten gegen die hohe Kunst der Analysis werden mit Bußgeldern gemäß StVO geahndet.

Saturnalische Mysterien

Was verbirgt sich wohl hinter dieser wohlgepressten Spanplatte nach DIN 6878 an Karneval zu Köln?


Vielleicht ein Produkt der Phono-Industrie zur musikalischen Untermalung des wilden Treibens?
Oder gar ein Maskenset zum Herrichten einer modischen Kurzhaarfrisur?

Samstag, 2. Februar 2008

Die verbotene Stadt

(Aus den Apokryphen des Mingshi von Zhang Tingyu)

... und will er die verbotene Stadt erreichen, so führt sein Weg durch die Pforte zum Reich des Himmels [天国], wo er prüfe, ob sein Geist von reiner Gesinnung und sein Körper von Ausdauer, denn steil und voller Mühen ist der Weg hinauf durch das Dunkel der Wälder.

Viele Gefahren nämlich säumen den Weg, und wenn er die schwarzen Wälder [黒森] sicher verlassen, so wähne er sich nicht voller Leichtsinn in Sicherheit: denn ein Schild in fremder Schrift wird ihm künden, dass er nun untersteht dem Schiedsspruch eines neuen und gestrengen Herrschers.

Zwar kenne ich keinen Präfekten, dem mein von Menschen wie Göttern in gleichem Maße geliebter Kaiser eine prächtigere und vollkommenere Jadeperle aus der Kette seines Reiches anvertraut hat. So machten sich einst aus allen Teilen des Reiches Menschen auf den Weg an diesen Ort und zum See der himmlischen Ruhe. Doch versiegt ist längst der Strom zu der Stadt, von der die Menschen heute sprechen als "Die Verbotene". In vielerlei Sprachen wird er Tafeln finden, die künden von der Herkunft der früheren Gäste.

Und so wird der Mann, der ziehet seine Kreise entlang des Ufers des Sees, bisweilen begegnen vereinzelten Gruppen von Menschen wie diesen, von welchen ich vernahm gar fremdartige Worte, als ich selbst zu Gast war in der Verbotenen Stadt:
"Geada, wennde glei de Luffd anhäls, siehse auffm Foddo schlanggea aus!"
Manche sagen, die Kunde aus fernen Ländern von einem wundersamen Mann, der auf dem Wasser ging und sich großer Beliebtheit erfreute, habe große Furcht im Statthalter geschürt, seine Macht an Andere zu verlieren, und so habe er verboten, auf dem See zu gehen. Gar eigenartige Apparate erzählen von der vergangenen Zeit, in der Menschen aus fremden Ländern viel Geld brachten in die einst blühende Stadt.

Doch viele Menschen jüngerer Geburt, so fürchte ich, sind nicht mehr vertraut mit den Monumenten aus Zeiten früherer Kaiser, mit welchen die Bürger der Stadt eins alte und geistig schwache Menschen um ihr Geld erleichterten.


Heute, so scheint es mir, hält neuartige Technik dann nur Einzug durch die Tore der verbotenen Stadt, sollte sie dem Statthalter Nutzen versprechen bei der Kontrolle seiner Anordnungen.










Und so wisse er, dem Einlass in die verbotene Stadt gewährt wurde, dass auf jähe Wege er sich begibt, sollten Neugier und Hochmut ihn treiben, jenseits des Gebotenen zu wandeln.

Denn von wenigen nur wissen wir, die noch im Stande waren zu berichten von den harten Strafen, die sie einst empfingen für ihr Auflehnen gegen das Wort der Stadt. Und von Zahlreichen kündigen die alten Schriften, die zahlten einen allzu hohen Preis für Hochmut und Unachtsamkeit.

Und so sieh er zu, dass nie dem Vergessen anheim fällt das Wissen, dass selbst der Weise sich nicht verlassen darf auf die Führung der Tugend in der verbotenen Stadt - denn fremd ist gar mancher Brauch, so dass einzig das demütige Fügen unter das harte Wort der Stadt ihm Schutz bieten wird.

Denn schnell ist die städtische Garde zu Orte, um mit eisernen Griff denjenigen zu greifen, der frech sich auflehnt, und vergeblich wird er sich unwissend nennen der Gesetze der Stadt.


Mit diesen Worten zur Vorsicht gemahnet misse er jedoch nicht zu kosten von dem, was ihm dort geboten zur körperlichen Erbauung und Ergötzung. Nicht viel weiss ich dem Reisenden zu berichten von derartigen Vorzügen des Ortes, denn ein Zeugnis nur fand seinen Weg in meine Hände, das uns Kenntnis gibt von Speisen und Festen in der verbotenen Stadt an seinem unteren rechten Rande: "Feiern sie mit uns das Revival eines Grillklassikers - Denn was schmeckt besser vom Grill als eine einfache saftige Bratwurst?".

Hiermit sollen meine Ausführungen über die verbotene Stadt schließen. Den Göttern zwar wird der Besucher näher sein an jenem weit über dem Meer gelegenen Orte. Doch vielen scheint die Schau des gleissenden, im See gespiegelten göttlichen Lichtes den Verstand geblendet zu haben. Einige, so sagt man, verloren ihn über die ständige Furcht hinweg, unwissentlich gegen die harten Gesetzen der Stadt verstoßen zu können.

So wisse er um diese Gefahren, und prüfe sorgfältig, bevor den harten Weg zu gehen er sich entschließe hinauf in die Stadt, die sie nennen "Die Verbotene".
(Ende des XIX. Buches)