Montag, 29. Oktober 2007

Saint-Denis: Wiege der Gotik (Teil 2)

(Fortsetzung des Artikels zur Pariser Kirche Saint Denis)
Abt Suger war es im 12. Jahrhundert, welcher durch seine Entwürfen für den Chor für die Kirche von Saint-Denis (vor allem des Chors) das Zeitalter der Gotik einläutete.

(oben: Bild des Abtes mit einem der Kirchenfenster in Saint Denis, welches die Wurzel Jesse zeigt, d.h. den Stammbaum Jesu)

In seiner Schrift De administratione (Über die Amtsführung) informiert uns Abt Suger über die Verse, die er auf dem Mittelportal anbringen ließ (de adm. 174):


Dort finden sie sich auch heute noch. Sie lassen sich lesen als eine Art Programmschrift der Gotik. Auf der linken Seite steht in gegossenen Lettern:
Portarum quisquis attollere quaeris honorem,
Aurum nec sumptus, operis mirare laborem.
Nobile claret opus, sed opus quod nobile claret
Clarificet mentes, ut eant per lumina vera

...und auf der rechten Seite:
Ad verum lumen, ubi Christus janua vera.
Quale sit intus in his determinat aurea porta:
Mens hebes ad verum per materialia surgit,
Et demersa prius hac visa luce resurgit.
Übersetzung beider Seiten:
Wer Du auch immer bist, der du danach trachtest, den Ruhm der Türen zu erheben,
bewundere das Gold und nicht die Kosten, die Mühe des Werkes:
Herrlich strahlt das Werk; aber das Werk, was herrlich strahlt,
möge erhellen die Geister, so dass sie gehen durch die wahren Lichter

[Anfang rechte Seite] Zum wahren Licht, wo Christus die wahre Tür ist.
Wie beschaffen es sei in diesen, bestimmt die goldene Pforte:
Der schwache Geist erhebt sich zum Wahren durch die materiellen Dinge,
und der früher ins Verderben Gesunkene erhebt sich, nachdem das Licht gesehen ward, aufs neue.
[Übersetzung frei nach Nicolai, 2007]

Diese Inschrift weist darauf hin, welche Funktion Suger dem Licht beimaß bei der Geisteserfahrung des Kirchenbesuchers. Dieser muß überwältigt gewesen sein beim Betreten des lichtdurchfluteten Kirchenraumes:

Bevor der Kirchenbesucher eintrat, begrüßte ihn über dem Portal eine Darstellung von Jesus als Weltenrichter beim jüngsten Gericht. In der Bildzeile zu Jesu Füssen erinnern die aus den geöffneten Grabplatten kriechenden Leiber ihn an sein bevorstehendes Schicksal:

Allgemein spricht man in Bezug auf die Gotik oft von einer jenseitsbezogenen, "auferstehungslastigen", transzendierenden Architektur. Diese Interpretationsrichtung spiegelt sich auch in dem Streben in die Höhe und der Dematerialisierung des Gebäudes wieder: im filigranen Maßwerk, das gerade im Kontrast zu den massiven Mauern der Romanik in der Entwicklung der Gotik immer mehr einen schwebenden Charakter einnimmt.
(oben: Der Helm des "schönsten Turms der Christenheit" in Freiburg als Beispiel für die Dematerialisierung der Gotik)

Es ist innerhalb der Forschung umstritten, in wie weit der Kirchenneubau von Saint-Denis auch der Umsetzung einer neuplatonisch beeinflussten Licht-/Geistesmetaphorik dienen sollte. Vielleicht war für die revolutionäre Architektur auch die anstehende representative Erneuerung des Ortes ausschlaggebend, an dem sich die meisten der französischen Herrscher begraben liessen. Fest steht, dass eine jenseitsbezogene Programmatik und die Lichtsprache die Kirche nicht als unpassenden Ort erscheinen lassen, um sich dort als Herrscher in Hoffnung auf Wiederauferstehung begraben zu lassen.

Die "Einlieger" der Nekropole von Saint-Denis lesen sich wie ein "who-is-who" der französischen Herrschergeschlechter des Mittelalters. Einzelne Persönlichkeiten finden sich auch in den farbenreichen Fenstern der Kirche dargestellt:

Die französische Revolution verschonte Saint-Denis nicht. Die Fenster wie auch die Herrscherdarstellungen auf der Fassade wurden stark in Mitleidenschaft gezogen. Darüberhinaus leerte der Mob auch die Gräber und legte die sterblichen Überreste in einem Massengrab bei. Spätere, nicht in gleichem Maße monarchiefeindliche Generationen, kümmerten sich schon im 19. Jhdt. um die Restauration der Schäden. Erst seit 1993 kann die Nekropole jedoch wieder im vollständig wiederhergestelltem Zustand besichtigt werden.

Unbefettfleckte Empfängnis

Einleitendes Bild: "Öl vor Öl", Freie Installation. Gallerie Östratorn, Lund:

In keiner gut globalisierten Küche dieses Planeten läuft ja heute noch etwas ohne gutes Olivenöl. "Extra vergine" heisst hierbei die oberste Qualitätsstufe. Da auch der Schwede ohne gutes Öl nicht weit kommt (der Skandinavist darf an dieser Stelle zweimal lachen), greift auch er mittlerweile auf mediterrane Produkte zurück. Wobei die Übersetzung von "Olio d'oliva - extra vergine" in ihrer gesamten Wörtlichkeit auf Schwedisch etwas brüsk wirkt:


OLIV
OLJA

EXTRA JUNGFRU

Sonntag, 28. Oktober 2007

Teutonia amata

Ein Fahrradfahrer, der diese Straße in Freiburg überqueren möchte, wird von dem dazugehörigen Schild nicht einfach als regelungsbedürftiges Objekt der Strassenverkehrsordnung empfangen.


Nein, er ist vielmehr Träger souveräner Herrschaftsrechten, aber damit auch von Pflichten: Er muss einen Teil als mündiger Bürger zum unfallfreien gesellschaftlichen Miteinander beitragen. So wird er vom rot-weissen Dreieck zuerst angehalten anzuhalten und daraufhin angehalten den Querverkehr aufzuhalten. Er, der Fahrradfahrer, Souverän und Walter der Ampel, fordert - nota bene - nicht einfach grünes Licht für sich. Er gebietet in seiner allgütigen Umsicht Rotlicht für diejenigen Objekte seiner Herrschaft, welche das Schicksal durch orthogonale Ausrichtung zu seiner Fahrtrichtung zu seinen Untertanen machte. Beinahe geschmeichelt fühlt man sich, je näher man dieser privilegierenden Stelle kommt; je gewisser das Klassenbewusstsein wird: Ich bin Längsverkehr - und alle Räder stehen still, wenn mein starker Arm es will. Denn wer in meinem Rotlichtbezirk Querverkehr treibt, darüber entscheidet immer noch allmorgentlich der kleine zweiradfahrende Pimp in mir.

Freitag, 19. Oktober 2007

Vendetårn

Die Sprache der Architektur ist universell, und so hört man die Glockentürme auch im hohen Norden wohlbekannte Zitate italienischer Meister flüstern ...
(Vor Frelsers Kirke, København)

Donnerstag, 18. Oktober 2007

Ales Stenar

Där kusten stupar mellan hav och himmel
har Ale rest ett jätteskepp av stenar,
skönt på sin plats när axens ljusa vimmel
med blockens mörka stillhet sig förenar.
En saga lagd i lönn
vid brus av Östersjön,
som ensam vet vad minnesmärket menar.


I sluten ordning dessa gråa hopar
stå vakt från Hedenhös, och folket säger
att backen spökar, att den gnyr och ropar
i senhöstmörkret, som ett krigiskt läger.
Ty mitt i bondens jord
har Ale gått ombord,
på dödens skepp det sista som han äger.


Storvulen handlingskraft behärskar kullen,
järn mötte brons när äventyret hände,
sjökungens skepp som sitter fast i mullen
gör här sin långfärd intill tidens ände.
Det har blott sten till stäv
och moln till segelväv,
men är trots allt dom fria skeppens frände.


En brigg på väg till Skagerack och Dover
i disigt fjärran glider tyst om knuten,
av närmsta sten och medan platsen sover
har seglaren tillryggalagt minuten.
I detta skådespel
vet ingen vilken del
som just förflyter eller är förfluten.


Kring skepp och gravskepp glittra böljeskummet
mångtusenårigt och mångtusenmila,
och tiden byter hälsningar med rummet
i seglens rörelse och blockens vila.
Och marken strör sin blom
kring stentung ålderdom
och lärkan slår och Skånes somrar ila.


Familientreffen


Zwei dänische Kyniker von schon bekannter Art?

Katholisch oder protestantisch?

(Portal St. Petri Kirke, København)

Mittwoch, 17. Oktober 2007

Contradictio in adiectio

Aussichten für Philologen


Als pølsemannen von Kopenhagen bis zum Nordkap, in den Führersitz der eigenen Würstchenbude gepresst vom unerbitterlichen Vortrieb des 5PS-Rasenmähermotors, Wind und Wetter trotzend, den eisigen Fahrtwind im Gesicht, gemischt mit dem unendlich süßen Geruch von Freiheit - von Freiheit und Röstzwiebeln...


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Thermopylenexpress


Wanderer, kommst du nach Sparta, verkündige dorten, du hättest
nehmen auch können den Bus, der jede Stunde abfährt.

Gutes Aussehen als Staatsziel

Dienstag, 16. Oktober 2007

How to jump-start a broken heart...

(Fundort: København Lufthavn)

UB Lesesaal Aussenstelle Schlossberg

Sonntag, 14. Oktober 2007

Der Japaner an sich

Das Bildprogramm über einem Portal zu einer gotischen Kirche ist zumeist eine ernste Angelegenheit. Hier in Notre-Dame in Paris scheint die Message eindeutig: Jesus trohnt als Weltenrichter über dem jüngsten Gericht, während unten die Engel die Posaunen blasen und die Leichen sich aus den Gräbern erheben zum jüngsten Gericht.
Nein, da darf man schon etwas Beklemmung erwarten bei einem gläubigen Katholiken, der durch dieses Portal in die Kirche schreitet. Zumal ihm gezeigt wird, wie der Erzengel Michael fein-säuberlich die Seelen abwiegt, und des Teufels Gehilfe dabei sogar die Waagschale nach unten zerrt. Wen überkommt da nicht die Furcht vor dem jüngsten Gericht; die Angst, an jenem Tage zu den Seelen zu gehören, die nach rechts ins Fegefeuer abgeführt werden?

Antwort: Ihn hier, als pars pro toto für jedwede japanische Reisegruppe in Paris:

Denn er befindet sich in fachfrauischer Begleitung einer japanischen Touristenführerin, welche den Besuchern aus Fernost minutiös sämtliche Details eines mittelalterlichen Kirchenportals nahebringt.
Routiniert lässt sie ihren mit einem roten Puschelschwänzchen gewappneten Zeigestab über die westliche Kunstgeschichte kreisen - und wo der hinzeigt, wächst keine Demut mehr. Denn 12000 Kilometer Distanz zum katholischen Glauben lassen als Reaktion auf diese sonderbaren Auswüchse mittelalterlicher Vorstellungen keine Alternative zur folgenden - eine Reaktion, die uns unsere eigene innere Einstellung zu den Geschichtchen um japanische Tempel vor Augen führt:

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Dienstag, 2. Oktober 2007

Saint-Denis: Wiege der Gotik

Wer die hellblaue Metro-Linie Nr. 13 an der Station "Basilique de Saint-Denis" im Norden von Paris verlässt, wird für einen Moment verunsichert sich fragen, ob er nicht zu weit in den Süden gefahren ist. Zumindest legt das die beträchtliche Anzahl schwarzer Menschen dar, mit denen man Richtung Ausgang läuft.


Saint-Denis eines der größten Immigrantenviertel von Paris. Dionysiens nennen sich seine Bewohner - doch die wenigsten der Bewohner des größten islamischen Zentrums von Paris werden wohl in einer Beziehung zum griechischen Gott des Weinies stehen. Namensgeber des Viertels war der Märtyrer und heutige Schutzpatron von Paris, Dionysius, welcher um 250 von Rom zur Missionierung nach Gallien geschickt wurde. Auch beim Invalidendom in Paris erinnert eine Statue an den Schutzpatron, aus dessem Hals munter-verharmlosend Wasser plätschert.


Der römische Statthalter von Paris liess ihn und seine Begleiter jedoch enthaupten auf einem Berg, welcher daher heute noch "Berg des Martyriums" heisst: Montmartre. Der enthauptete Dionysius nahm daraufhin seinen Kopf auf, wusch ihn und lief noch einige Kilometer zu demjenigen Ort, an dem heute ihm zu Ehren die Kirche von Saint-Denis zu finden ist. Wir erinnern uns, dass die Ikonographie christlicher Märtyrer meist Bezug nimmt auf die Art des Martyriums, und so findet sich schon auf dem obigen Bild in der Metro-Station links eine entsprechende Statue des heiligen Dionysius, der seinen Kopf in der Hand hält.

Zuerst baute die heilige Geneviève eine Grabkirche an jener Stelle, welche sich im 7. Jahrhundert zur Abtei entwickelte. Schon früh ließen sich Herrscher an diesem prominenten Ort vor Paris bestatten - dazu gleich mehr. Essentiell wichtig ist diese Kirche jedoch auch für die Kunstgeschichte, da sie im 12. Jahrhundert erneuert wurde in einem Stil, welcher von hier ausgehend als Gotik einen Siegeszug durch Europa antrat.

Typisch für die Gotik ist der in die Höhe strebende Innenraum der Kirche, der von großflächigen Fenster mit Licht durchflutet wird:

Auch Spitzbögen, Bündel- und Strebepfeiler und Kreuzrippengewölbe sind typische Stilelemente der Gotik.


Durch sie ergaben sich andere statische Gegebenheiten und somit ganz neue architektonische Möglichkeiten. In der Gotik verschwinden hiermit die massiven, tragenden Wände der Romanik immer mehr; die Kirche "entmaterialisiert" sich.
Möglich war dies auch, indem man den Seitenschub der Wände über Strebe- /"Schwib"bögen nach aussen ableitete (unten Beispiel vom Freiburger Münster):
Da die Stützfunktion der Wände durch diese Möglichkeiten in den Hintergrund trat, konnten sie nun mit großflächigen Fenstern versehen werden...

... durch die das Tageslicht in allen Farbfacetten in den Innenraum fällt.