Freitag, 28. März 2008

Chor der Müllmänner

... sieh, wie sie ordnen in fest-starrer Schlachtreih die turmhohen Tonnen,
sichere Schirmung den zartblond erschimmernden Säcken aus Kunststoff,
mittig sie bergend in breitvollem Stapel, Hephaistos zum Hohne.
Flankend erblickst du in in grau-schwarzem Thorax achäische Scharen
Söhne des ross'reichen Argos, entrissen auf kielrunden Schiffen,
links führt sie helmschweifumflattert des Atreus Sohn, Agamemnon,
weithin ertönend führt an Menelaos die Männer zur Rechten.
Furchtbarem Grolle entsagend gibt Ordnung den Lanzen Achilleus
wehrhaft umrundend die Schar Myrmidonen, atridenbeflanket.
Wut senkt brusttief Athene den mittigen Streitern ins Herze,
Patroklos ehr'n sie, die Schilde mit vielbuntem Leder umwickelnd,
Eichen Thessaliens gedenkend mit Blattgrün und erdbraunen Farben.
Und wie vom Stamme die schwachgrünen Blättlein einst fielen im Herbstwind,
so wird heut fallen auf mitthäus'ger Ebne das Heer der Entsorger.

(εὐταξία)
Festfußig reiht sich im Hofe die Phalanx, die Karren zu wehren
die sich ihr nahen in engführ'nden Gassen, von Eos berühret.
Freudsam vernehmen das Sirren der Räder, der Deichseln Gepolter,
Ohren der schmuckreichen Weiber, denn vielmietrig harrt sie, die Feste,
bittführend streckt man die Hände, zu Zeus dem Kroniden hin flehend:
"Müllsammler, leer meine Tonne, und nimm auch den Wertmüll,
führe hinab ihn zum ewigem Kreislauf, zum Müllbrenner Hades,
zweihaufig trennt' ich den Dreck dir, dem Worte der Polis gehorchend,
wie schon Prometheus sein Opfer einst trennte in Wert- und in Restmüll."
Sprach's, uns es biegt um die Ecke der Karren des Stadtwerks,
Finstere Männer auswehrend zu Seiten, hellleuchtend die Rüstung,
Hände in Leder geschienet, die Münder umhüllet das Barthaar.
Nichts wehrt die Männer im Sprunge, nichts legt um den Fuß sich,
wie Tamarisken einst astreich enthoben Adrastos des Wagens.
Sturmreich den Päan anstimmend es preschen hinvor die Entsorger,
erstlich fiel Pithos, die Glieder von Rüstung gelöset durch Ali,
Kummer bereitend der Mutter, die haust in den Hallen zu Aulis.
Schnell rollte Sulo zur Hilfe - zu spät doch - die Schlachtreih' aufbrechend,
Herbert ergriff ihn am Nacken und zerrte am Deckel der Tonne,
fest hielt das Schloß unter schmiedfester Helmpracht, gewährte ihm Schutze
panzertreu, nicht als wie knackte die Schildkröt' der Musenfreund Hermes.

(ἀταξία)
Und so die Tonne mit mürrischem Gestus verwerfend lässt ab er,
duldensarm ab zieht das Heer der Entsorger, zurück zu dem Karren.

Jubel durchdringt die Achaier, die turmhoch gerüstet obsiegten,
schützend umscharend die lichtgelben Säcke, nicht schwelen im Brand sie
sicher auf Steinfels gebahret, im Schatten von blattlosen Bäumen.
Trauer doch senkt sich ins Herz tief, es klagen achaische Tonnen,
Denn Myrmidonen entstarben im Kampfe, versprengt auf dem Hofe,
blattgrüne Tonnen, papyrusgewundener Seelen entleeret.

Kampfreich wirft weltliche Ordnung sich göttlichem Ratschluss entgegen,
wehrsam Gewand und die Künste aufwendend, zu fliehen den Häschern
listenreich. Einmal pro Woche schickt Zeus sie, die Glieder zu lösen,
jedweden Winkel des Hofes durchdringend, es gibt kein Entrinnen.
Nicht hinter Mauern aus Kunststoff such Schutz du, es wittert der Tod dich,
starrkettig bindet der Mensch sich, doch wehret den Tod nicht die Fessel:
jedem steht fest schon sein Leertag, denn so spinnen Schicksal die Moiren.

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Freitag, 21. März 2008

Die sieben letzten Worte des Erlösers am Kreuze

Πάτερ, ἄφες αὐτοῖς, οὐ γὰρ οἴδασιν τί ποιοῦσιν.

Ἀμήν σοι λέγω, σήμερον μετ' ἐμοῦ ἔσῃ ἐν τῷ παραδείσῳ.

Γύναι, ἴδε ὁ υἱός σου. [εἶτα λέγει τῷ μαθητῇ:] Ἴδε ἡ μήτηρ σου.

Ὁ θεός μου ὁ θεός μου, εἰς τί ἐγκατέλιπές με;


Διψῶ.

Τετέλεσται.

Πάτερ, εἰς χεῖράς σου παρατίθεμαι τὸ πνεῦμά μου.

Donnerstag, 20. März 2008

Des Kaisers neue Gemahlin

Vielfältig sind die Spitznamen, die die Römer dem Denkmal für Vittorio Emanuele II. gegeben haben. Hochzeitstorte, Urinal, Gebiss, Schreibmaschine - fest steht dabei nur, dass man von ihm aus den besten Blick auf Rom hat - da man von dort den neoklassizistischen Bau selbst nicht sieht.

Doch wer sich ein wenig einlässt auf das Monument und sich von peniblen Wachen nicht schrecken lässt, der wird auf dieser Empore Orte finden, von denen aus es sich lohnt, die Eule der Minerva fliegen zu lassen. So fußt das Reiterstandbild des ersten Königs des geeinten Italiens fußt auf einem Sockel, in welchen die Reliefs der 14 Hauptstädte zu finden sind.
Schon jede einzelne der Personifikationen für sich ist die Einzelbetrachtung wert. Neben Städten wie Mantua (mit dem Relief Vergils auf dem Schild) oder Ferrara (gekrönt mit dem Castello Estense) findet sich jedoch dort auch die weibliche Personifikation von Ravenna, bei welcher wir ein wenig verweilen wollen:

Insignien sind einerseits der Kiefernzweig, welcher für die weite pineta Ravennas steht, und andererseits das byzantinische Herrscherdekor, bestehend aus prunkvollem Mantel und dem typischen Diadem.
Exponat aus dem Bode-Museum, Berlin
Diese Verweise auf Byzanz finden ihren Ursprung in der Tatsache, dass Ravenna im 6. Jhdt. Teil byzantinisches Exarchat auf italienischem Boden wurde und auch blieb bis zum Einfall der Langobarden im 8. Jhdt. Kunsthistorisch hat die Eroberung unter Iustinian deutliche Spuren in der Stadt hinterlassen:

Kaiser Iustinian samt Entourage. Mosaik San Vitale, Ravenna.

(Zoom Iustinian)
Nicht nur von Iustinian selbst, sondern auch von seiner werten Frau Gemahlin befinden sich Mosaike in San Vitale.
Theodora samt Entourage
In voller Pracht der Hoheitswürden steht sie unter eine smaragdgrünen Apsis. Ihr Gewand ist am unteren Rande versehen mit filigraner Kleinarbeit, die die heiligen drei Könige darstellen.

(Hlg. Drei Könige. Mosaik, Sant' Apollinare, Ravenna)

Und auch jenes prunkvolle Diadem fehlt natürlich nicht auf dem Haupte Theodorens:
(Zoom Theodora)

Ja, da entdecken wir sie wieder, jene bienenkorbartige Bekrönung, mit der man Kaisergattinen offensichtlich zu bedenken schien. Warum sich Theodora jedoch so herausgeputzt hat, wird nicht eindeutig auf dem Bild. Doch was spräche dagegen, dass die Person am linken Bildrand ihr den Vorhang öffnet hinein in das dunkle, kaiserliche Schlafgemach?

Aus jenem Schlafzimmer - quasi ex cubiculo - gäbe es wohl einiges zu erzählen, wenn wir dem Historiker Prokop glauben schenken wollen, der uns in den anekdota einiges über des Kaisers neue Gemahlin zu berichten weiß. In Prokops zentralem Werk über den Gotenkrieg kommt der Kaiser selbst schon nicht so blendend weg, wie man bei der glänzenden Mosaikdarstellung in San Vitale vermuten könnte. Vielmehr bleibt sein stolzer Feldherr Belisar bis kurz vor Schluß Sympathieträger des Authors. Aber die Polemik gegen das Kaiserpaar Iustinian und Theodora in den anekdota übertrifft diese eher subtile Kritik bei weitem.
ἀλλὰ καὶ πολλῶν τῶν ἐν τοῖς ἔμπροσθεν λόγοις εἰρημένων ἀποκρύψασθαι τὰς αἰτίας ἠναγκάσθην. τὰ τό τε δ’ οὖν τέως ἄρρητα μείναντα καὶ τῶν ἔμπροσθεν δεδηλωμένων ἐνταῦθά μοι τοῦ λόγου τὰς αἰτίας σημῆναι δεήσει.
(anek. I, 3)
Aber auch die Ursachen von vielem, was in meinen früheren Schriften steht, mußte ich gezwungenermaßen verschweigen. Daher werde ich nun die noch übrigen, nicht erzählten Dinge zusammen mit den Ursachen der Ereignisse, von denen ich zuvor berichtete, angeben müssen.
Zu Lebzeiten der Täter, schreibt Prokop kurz zuvor, wäre er mit einer derartigen Schilderung wohl Opfer der Späher geworden. Wohl zurecht: denn die Suche nach den Ursachen für die Misere im Reich führt ihn recht schnell zu Theodora:
ἔγημε δὲ γυναῖκα, ἣ ὅντινα τρόπον γενομένη τε καὶ τραφεῖσα καὶ τῷδε τῷ ἀνθρώπῳ ἐς γάμον ξυναφθεῖσα πρόρριζον Ῥωμαίοις τὴν πολιτείαν ἐξέτριψεν, ἐγὼ δηλώσω.
(anek. IX, 1)
[Iustinian] hatte aber eine Frau. Woher sie stammte und wie sie großgezogen wurde, und wie sie nach der Vermählung mit diesem Mann das römische Reich von der Wurzel an zu Grunde gerichtet hat, werde ich im Folgenden darlegen.
Woher sie stammte, schließt Prokop gleich danach an: Sie entstammte dem Zirkus und war Tochter eines Tierwärters, der früh verstarb. Die verwitwete Mutter ließ sie recht früh auf der Bühne auftreten, wo sie sich bald mit den Escort-Boys reicher Theaterbesucher vergnügte - παρὰ φύσιν wohlgemerkt. Die Karriereleiter führte sie über das Bordell zum Beruf der Hetäre - obwohl sie weder mit Flöte noch mit Laute umgehen konnte. Einen Ruf brachten ihr vielmehr ihre schamlosen Bühnenauftritte ein:
ἀποδυσαμένη τε τά τε πρόσω καὶ τὰ ὀπίσω τοῖς ἐντυγχάνουσι γυμνὰ ἐπιδεῖξαι, ἃ τοῖς ἀνδράσι θέμις ἄδηλά τε καὶ ἀφανῆ εἶναι.
(anek. IX, 14)
Vorder- und Hinterteil entblößte sie, und zeigte den Nächstbesten diejenigen Stellen nackt, die den Männern doch verborgen und unsichtbar sein sollten.
Prokop expliziert dieses Verhalten im Anschluss an eine ausführliche Darstellung ihres promiskuitiven Verhaltens:
Καί ποτε ἐς τῶν τινος ἐπιφανῶν οἰκίαν ἐλθοῦσα μεταξὺ τοῦ πότου θεωμένων αὐτὴν, ὥς φασι, τῶν ξυμποτῶν ἁπάντων, ἐς τὸ προὖχον ἀναβᾶσα τῆς κλίνης ἀμφὶ τὰ πρὸς ποδῶν ἀνασύρασά τε τὰ ἱμάτια οὐδενὶ κόσμῳ ἐνταῦθα οὐκ ἀπηξίωσε τὴν ἀκολασίαν ἐνδείκνυσθαι. ἡ δὲ κἀκ τριῶν τρυπημάτων ἐργαζομένη ἐνεκάλει τῇ φύσει, δυσφορουμένη ὅτι δὴ μὴ καὶ τοὺς τιτθοὺς αὐτῇ εὐρύτερον ἢ νῦν εἰσι τρυπῴη, ὅπως καὶ ἄλλην ἐνταῦθα μίξιν ἐπιτεχνᾶσθαι δυνατὴ εἴη.
(anek. IX, 17f)
Einmal ist sie, wie man sagt, in noblem Hause mitten beim Zechen und für alle sichtbar auf die Kante der Liege gestiegen und hat die Kleider, die um ihre Füße herum waren, hochgezogen ohne irgendeine Hemmung und hielt sich da nicht für unwürdig, ihre Zügellosigkeit zur Schau zu stellen. Während sie sich dreier Bohrlöcher bediente, klagte sie die Natur an, dass sie unfairerweise ihr nicht auch die Brüste ausladender modelliert habe, damit es ihr auch dort möglich sei, eine weitere Art von Verkehr zu bewerkstelligen.
Es folgen Berichte über die häufigen Abtreibungen der Theodora oder über die Lust, die sie empfand, wenn ihr Gänse Futter vom Körper pickten. Diese Frau war es, in die sich Iustinian maßlos verliebte und die er nach Tod der alten Kaiserin und Erlaß eines Sondergesetzes ehelichte - ansonsten wäre ihm die Heirat einer Hetäre versagt geblieben. So wird bei Prokop aus dem unzüchtigen Zirkusmädchen die kompetente Beifahrerin, mit welcher an seiner Seite es Iustinian gelang, nicht nur Byzanz, sondern gleich den gesamten Karren des römischen Reiches mit Karacho vor die Wand zu fahren.

Statue Imperia, Hafeneinfahrt Konstanz
Er hätte eine bessere haben können als diesen "Schandfleck der Welt", schreibt Prokop. Keine Kindsmörderin mit leicht blasser Hautfarbe. Sondern eine mit Ehrgefühl, Verstand und hervorragender Schönheit, eine "aufrechtbrüstige Jungfrau" [πάρθενος ὀρθότιτθος]. Aber halt auch eben ohne jenen "stets wilden und scharfen Blick" ...

Dienstag, 18. März 2008

Heissa Hoppsa!

Nicht lange liegt er zurück, Astrid Lindgrens 100. Todestag im November des vergangenen Jahres. Feuilletons und Magazine waren voll mit Artikeln über die Bedeutung von Lindgrens Gesamtwerk ("Schwedischer Imperialismus im Kinderzimmer"), oder mit gewagten Neuinterpretationen (Peter Svensson von der Zeitung Expressen schlug beispielsweise vor, die zwei Welten in "Gebrüder Löwenherz" als Sinnbild für Schweden und Norwegen im zweiten Weltkrieg zu lesen).

Doch es sind vielmehr Astrid Lindgrens Figuren selbst, in welchen sich dem Leser unendlich vielfältige Projektionsflächen für philosophische Kapriolen bieten. Eine besonders breite Fläche bietet dabei Karlsson vom Dach. Mit scheinbarer Jovialität steckt diese Wuchtbrumme schwere Schicksalsschläge ebenso weg wie die überall lauernden Gefahren menschlichen Versagens in einer zunehmend mechanisierten Welt - effektvoll in Szene gesetzt am Beispiel von Lillebrors explodierender Dampfmaschine. Die streitbare Maxime des Karlsson, mit welcher er uns die Geisteshaltung des stoischen Weisen ins Gedächtnis ruft, lautet dabei stets:
Das stört keinen großen Geist.
Es handelt sich dabei um einen weiteren Fall, in welchem die Übersetzung uns den großen Philosophen vom Dach um eine zentrale Facette beraubt. Denn so antwortet der denkende Dicke im schwedischen Original:
Det är en världslik sak.
(Das ist eine weltliche Sache)
Kein Wunder, dass da kein deutscher Denker Karlsson in seiner vollen Breite erfasst hat, verkommt die Mahnung zum "großen Geist" im Deutschen doch nur allzu oft zur arroganten Apologie dieses selten selbst Geschädigten. Aber auch kein Schwede des vergangenen Jahrhunderts scheint die Reisehöhe dieses propellergetriebenen Mystikers annähernd erreicht zu haben, und an geistigem Tiefgang scheint ihm nur ein Dag Hammerskjöld Vägmärken vorzugeben. Nur im Falle, dass die Welt ihn und seine Umwelt zu brechen droht, lässt Karlsson hinter seiner jovialen Fassade seine wahre, ihm Halt gebende Geisteshaltung durchschimmern.

Karlsson, mit klassischer Handhaltung des argumentierenden Eremiten (vgl. Bild unten)
Der kleine putto scheint sich nur äusserlich eine barocke Form zu geben, während sein reger Geist schon längst um die vanitas vanitatum weiß. Schon längst hat er sein metaphysisches Zuhause auf dem Dach gefunden, wo ihn nichts Irdisches mehr erreicht, außer vielleicht der Duft von Frau Svantessons Pfannekuchen. Seine Aufenthalte bei dieser Familie sind geprägt von einem oft urplötzlich hereinbrechenden Eskapismus hinauf - hinauf zum Dach, welches als Metapher steht für den geistigen Rückzug dieses sanguinischen Typen in sich selbst. Denn unerbitterlich schreit sein δαιμόνιον auf ihn ein, je lauter er mit polternden Scherzen am Weltlichen zu verhaften sucht, und mahnt ihn zur transzendentalen Anachorese, bis er eines Tages philosophierend mit Lillebror auf den Dächern des Vasaviertels sitzt, und täglich den beiden eine Wilddrude zwei Laiber Brot bringt ...

Ausschnitt Isenheimer Altar, Musée d'Unterlinden, Colmar

Es muss ein Sonntag g'wesen sein ...

"FIX" gehört in aller Regel nicht zu den Worten, welche der teutonische Geist mit dem sanften Süden assoziiert. Und wer den guten Gemoll wälzt auf der Suche nach φιξ, wird vergeblich suchen zwischen φνεί [sp. komische Nachbildung des Schnaubens durch die Nase] und φοβερός [Furcht einflößend, schrecklich, furchtbar]. Doch eigentlich sollte jeder Teutone auf Furcht einflößende Weise durch die Nase schnauben, sollte er φιξ nicht kennen.

Denn welch festes Band innigster Freundschaft zwischen Hellas und philhellenen Bayern knüpfte einst Karl Fuchs, als er im Trosse Otto I. im 19. Jhdt. die Athener Brauerei FIX gründete. Nein, es war wirklich kein einseitiger Kulturimport damals zwischen dem klassizistischen Deutschland und Griechenland. Es war kein auf sich bedachtes, kulturimperialistisches Konfiszieren des Eigentums einer Nation. Ganz im Gegenteil. Denn so wie die Nazarener einst die verkommenen Künste in Italien aus christlich-klassischem Geiste heraus neu befruchten wollten ...

(Friedrich Overbeck: Italia und Germania. Neue Pinakothek, München)
... so führten bacchantische Bayern Dionysos zurück in seine Heimat. Mit Hopfen besetzte Thyrsosstäbe schwangen sie, im Takte der Blaskapelle einherschreitend als Gefolge des gerstenbekrönten Liber, und benetzten ägäische Küsten mit Schaume von solcher Samtigkeit, dass aus ihm emporzusteigen nicht unwürdig die Göttin der Liebe, die schaumgeborene Aphrodite.

(Ludovisi-Thron, Palazzo Altemps, Rom)
Bei derartigem Engagement kann man es den Bayern durchaus verzeihen, dass sie zuvor unter Ludwig I. ein paar Giebelfiguren des Aphaia-Tempels auf Aigina quasi "vor den Kalkbrennern" nach München in die Glyptothek gerettet haben.

Und so steht er heute noch auf seine Anhöhe auf Aigina, der dorische Tempel, seines Schmuckes durch die Barbaren beraubt, nackend die nüchterne Rationalität des Apollinischen atmend - und lediglich der dorische Eckkonflikt lässt Unruhe erahnen, als Aiolos' Hauch sanft die Grübchen der Kanneluren umschmeichelt.

Denn lange schon liegt sie zurück, die Entmannung des Tempels - und so hat es etwas Versöhnliches, zu sehen, wie die Gruppe junger Bayern zu seinen Füßen ihr Loblied anstimmt, und vor vernarbtem Tempel auf griechischer Erde jenen Tag loben, an welchem Gott ihr Bayernland erschuf ...



(fairerweise sei abschließend erwähnt, dass die Bayern die Figuren nicht einfach mitnahmen, sondern aufrichtig bezahlten)

Sonntag, 16. März 2008

Stratege der Streitkultur

(gefunden im Kleinkindabteil des ICE 977)