Donnerstag, 6. Dezember 2007

Sinterklaas

Mit dem heiligen Nikolaus ist es ein bisschen wie mit Wurst. Solange es allen schmeckt, muss man doch nicht so genau wissen, was eigentlich alles drinsteckt. Aber eins steht fest: hinter der Silberfolie eines jeden heutigen Schoko-Nikolaus verbirgt sich ein ziemlich prall gefülltes Objekt von nicht immer ganz koscheren Traditionen und Legenden aus vielen Jahrhunderten und Glaubenskreisen.


Da ist zum einen der historische Nikolaus, der Bischof von Myra, der legendäre Watschenverteiler vom Konzil von Nicäa. Um ihn ranken sich zahlreiche Wunder und Legenden, deren Ursprung wohl kaum aufgedröselt werden kann - dazu gleich mehr.

Als die Muslime das Gebiet der heutigen Türkei und damit auch den Ort eroberten, wo das Grab des heiligen Nikolaus lag, schiffte man seine Gebeine Ende des 11. Jhdt. nach Bari. Spätestens nach den Kreuzzügen war Nikolaus, zumal Schutzpatron der Seefahrer und damit auch Lieblingsheiliger der Hanse, in old Europe wieder en vogue. Für die anschließende Zeit ist auch schon der Brauch des Herausstellens der Schuhe belegt, welche den Armen dann mit Geldstücken gefüllt wurden - in Anlehnung an die Legenda aurea, nach welcher der heilige Nikolaus Goldklumpen durch ein Fenster zu drei Jungfrauen warf, welche der Vater zwangsprostituieren wollte, da er die Mitgift zum Verheiraten nicht aufbringen konnte:
Tunc quidam contermineus suus satis nobilis tres filias ob inopiam prostituere cogitur, ut sic earum commercio aleretur. Quod ubi sanctus comperit, scelus abhorruit et massam auri panno involutam in domum eius per fenestram nocte clam iecit et clam recessit. Mane autem surgens homo massam auri reperit et Deo gratiam agens primogenitae nuptias celebravit.


(Legenda aurea, Historia Sancti Nicolai)

(Lorenzetti, Der liebevolle Nikolaus, 1332, Louvre Paris)
Das Gebiet um Bari, wohin die Gebeine des heiligen Nikolaus damals überführt wurden, wurde dann im 16. Jhdt. Herrschaftsgebiet von sacco-di-Roma-Karl V., was dieser dann samt den Niederlanden und Spanien Söhnchen Phillip II. vermachte. Da die Flaggen in Konstantinopel schon längst auf Halbmond flaggten, konnte der Nikolaus alljährlich natürlich auch nicht mehr aus der Türkei kommen. Daher kam er jetzt kurzer Hand aus Spanien. Woher er übrigens heute noch Jahr für Jahr mit dem stoomboot, dem Dampfschiff, in die Niederlanden anreist.

Den Nikolaus aus dem katholischen Spanien fanden die protestantischen Christen in den Niederlanden nach anti-spanischen Aufständen dann im 16. Jhdt. niet zo goed, und auch Luther hatte sich schon zuvor beschwert über den Sinteklaas, dieses Konglomerat aus katholischer Heiligenspeichelleckerei und heidnischen Traditionen.


Dass Sinterklaas auf einem weissen Pferd über den Dächern dahergeritten kommt, kann in der Tat leicht erinnern an Odin - und hatte der nicht auch einen weissen Bart?


Doch konnten wohl auch die nüchtern-kühlen protestantischen Herzen nicht den mandarinengroßen Augen der kinderen widerstehen, die am pakjesavond nach Sinterklaas fragen. Und so hielt und entwickelte sich die Tradition von Spielzeug, zähem Kuchen und appeltje van oranje irgendwie über die Jahrhunderte, wie auch niederländische Maler des 17. Jhdt. belegen:

Jan Steen, Het Sint Nicolaasfeest, ca. 1665, Amsterdam


Die Niederländer schienen den Sinterklaas so sehr zu mögen, dass sie ihn auch mit in die neue Welt nahmen. Dort wurde er sogar Schutzpatron von Neu-Amsterdam, dem späteren New York. Durch den Fleischwolf der Lautentwicklung gedreht und gewürzt mit einem guten Schuss Coca-Cola-Werbestrategien war Sinterklaas als pausbäckiger Santa Claus im roten Mantel dann Anfang des 20. Jahrhunderts fertig für einen Reimport nach old Europe, wo er heute als Weihnachtsmann sein Unwesen treibt...

Nachtrag 26.12.07: eine thüringische Postkartensammlerin begs to differ...

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