Dienstag, 4. Dezember 2007

Lass uns Kloschildchen gendern

Unsere Gesellschaft drückt sich vor der nackten Wahrheit bei der Unterscheidung der Geschlechter an der Tür zur öffentlichen Toilette. Sie verweist vielmehr auf Merkmale, welche per Konvention den Mann von der Frau unterscheiden, und somit vor der Ohrfeige im Damenklo bewahren sollen. Die Auswahl dieser geschlechterspezifischen Merkmale kann manchmal mehr, manchmal weniger subtil geschehen, und regt nicht selten zum Nachdenken über zeitliche und gesellschaftliche Umstände an...

1) Uni Freiburg, KG 1













Distinktionsmerkmal: Invertierte Oberkörperform
♂ männlich breite Schultern
♀ männlich breite Schultern werden umgekehrt zu körperverhüllender Damenoberbekleidung


2) Uni Freiburg, KG 1











Distinktionsmerkmal:
♂ breit geöffnete Beinhaltung
♀ Miniröckchen unterstreicht Effekt der Wespentaille, züchtig-keusche geschlossene Beinhaltung

3) Zentrum St. Thomas, Strasbourg



















Der Betreter dieser Toilette identifiziert über die Mode, was die Gesichtslosigkeit der Zeichnungen unterstreicht. Klassische Accessoires versprühen Chic und Charme aus der Zeit der großen Gründungswelle christlicher Gemeindezentren:

♂ Slipper, Schlaghose, Rollkragenpulli, volumenreiche Kopfbedeckung
♀ elegante Schühchen, taillenbetontes Sommerkleid, Brieftasche

4) Gartenanlage von Versailles



















Distinktionsmerkmal:
Mythisch-göttliche Rollenerwartungen der Antike
♂ Herakles mit Keule und Löwenfell (Palazzo Altemps, Rom?)
♀ Venus (pudica-Typus, Venus Capitolina)


5) McDonald's, Roma, Pantheon







(männliche Version steht aus
bis zum nächsten Besuch in der
ewigen Stadt)








Wir erinnern uns an eine traurige Episode, in der ein kleines blondes Mädchen in bitterste Hilflosigkeit gestürzt wurde, da sie die falsche Frisur für diese Toilette besaß ...

6) Walfisch, Freiburg











Kein ungerechtfertigter Aufwand. Unmissverständliches Zusammenspiel zwischen Schrift und Zeichen. Unkompliziert und ehrlich. Wie der Rest der Lokalität.

7) Nadelberg, Basel













Es greift erneut das Prinzip der Forminversion (siehe oben unter 1). Höchste Abstraktion des Menschen in klare Formen der Geometrie.


8) Bode-Museum, Berlin













Die monumental-makelosen, in winckelmann'schem Weiß gehaltenen Formen lassen kaum erahnen, zu welch kathartischem Treiben der WC-Besucher die braune Türe hinter sich schließt. Ein wahrhaft würdevoller Tempel der Venus Cloacina, auf welchem thronend das Göttliche sich in uns regt. Unterschiede zwischen Mann und Frau verkümmern im Erhabenen des Klassizismus zu bloßen Buchstabenabfolgen.

Labels:

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]

<< Startseite