Mittwoch, 16. April 2008

Gedanken eines einsamen Chloroplasten

Dort, wo die Göttin des Himmels der Erde am nächsten,
dort, wohin münden die Wege des Re alle Tage,
schlägt auf die Schlange Apophis ihr listreiches Lager
dem Gotte des Lichtes zu lauern, das hellstrahlend Leuchten zu löschen
mit triefendem Gifte aus schwarzadrigen Zähnen.
Alltäglich eilt Seth ihm zu Hilfe, und wehret mit grifffester Lanze
als Re sie besteiget, die Barke gen Osten - die Taue schon lose -
die finstere Viper, und schlägt sie in ewigem Kampfe.

Durchstoßen die Kehle sinkt windend hernieder
der beinlose Körper, wilde Kurven noch zeichnend
im Sande der Unterwelt,
und füllt sie mit tiefrotem Blute.
Der darrende Horizont letzt sich in der Lache der Natter,
saugt durstig das Blut zu krönender Corona,
wie Lorbeer dem ewig obsiegenden Re.

Die letzten Pulsschläge ergießen sich warm über das Zugdach,
verrinnen in Ritzen durchgenagter Verkleidung
werfen Schatten auf Dünen von rostwelligem Blech -
tut eitles Eisenoxid sein zehrendens Werk hier?
Nein, himmlischer Schorf aus ewigen Schlachten
ziert ruhmvolle Wunden ägyptischer Äonen.

Triebwagengesteuert kreischt der Zug den Weg sich
schmierstofffrei, hinauf nach Alexandria.
Deutsches Wirtschaftswunder zermalmt die ägyptische Sandflut,
rostschorfige Flanken schleifen ungehobelte Wüstenwinde
zu Stromlinien, die Strohlinien biegen entlang des Bahndamms
und drücken die Halme im Takte stählerner Scheiben.

Endlich das Windjoch abwerfend federn die Köpfe empor,
angespannt schnellen die Blicke hintnach der rußdonnernden Stahlwurst,
doch sanfte schon wieder sich wiegend,
denkt sich ein einsamer Chloroplast:
"Wer rostet, der rast."

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