Freitag, 21. Dezember 2007

Pädagogisch indoktrinieren mit Playmobil

Gerade Altertumswissenschaftler sehen sich gegenüber der Gesellschaft mit einem besonderen Bildungsauftrag versehen - und so verwundert nicht der Wunsch, schon den Nachwuchs gerade zur Weihnachtszeit mit Bildungsgut subtil zu indoktrinieren. Doch, ach, was tun, wenn die lieben Kleinen die liebevoll illustrierten Homer-Ausgaben nur allzu schnell bei Seite legen zu Gunsten von schnöden Videospielen und dergleichen?

Doch haben die Spielzeughersteller den Ruf nach pädagogisch wertvollem Spielzeug erhört - und so erwartet uns in den Tempeln des Konsums zur Weihnachtszeit ein Traum von einer archäologisch detailgetreuen Rekonstruktion, eine Symbiose von Bildung und Unterhaltung, gegossen in edelstes Polypropylen - oh Stoff, der du in die Hände von Daidalos gehörst und seiner Zunft, der du schon durch eitle Phonetik dem Geiste Schwingen webst gen Hellas, hinauf auf die Akropolis zu den ehrwürdigen Propylaien ...


Und so verdient die Kunstfertigkeit des unbekannten Meisters, der diese Replik einst erschaffen, nicht nur überschwängliches Lob, da sie unseren Genius in höh're Sphären zu geleiten im Stande ist, sondern ist auch würdig, dass wir die Schönheit des Werkes in all seinen verspielten Facetten preisen. Denn wie schon der Philosoph sagt: κατὰ μικρὸν οὕτω προϊόντες καὶ περὶ τῶν μειζόνων διαπορήσαντες!

Vertrautheit mit antiken Architekturformen verspricht schon die Darstellung der Arenenform, deren halboffene Gestaltung sich in unseren rohen Tagen von den Vorwurf der Unzweckmäßigkeit, ja gar der Unsicherheit beim Umgang mit wilden Tieren gefallen lassen muss. Doch übersehen die ungebildeten Kritiker, wie hier schon die hohe Form des späteren, römischen Theaterbaus antizipiert wird. Unser Blick wandert entlang der auf diese Weise zangenförmig gefassten Begrenzung weiter über die fachmännisch rekonstruierten Reliefs rechts und links überhalb des vergitterten Katakombenzugangs...


Die darüber gelegenen, in Plastik gehaltenen Kopien hellenistischer Bronzestatuen schütten großzügig, aber mit sicherer Hand das pralle Füllhorn antiker, vielleicht gar frühchristlicher Ikonographie aus. Die von den beiden Statuen flankierte Säulengruppe spielt frech mit Assoziationen an das Serliana-Motiv oder auch hadrianische Kanopus-Vorstellungen. Dass es nicht abwegig ist, den Geist nach Ägypten schweifen zu lassen, legt uns Kleopatra persönlich nahe, welche dem Imperator auf reizende Weise assistiert.


Auf der linken Seite erwartet die Volksfront von Judäa voller Spannung den Ausgang der blutigen Kämpfe, während die Ostkurve sich in fester Hand der judäischen Volksfront befindet. Und so lassen auch wir uns beim Anblick abgetrennter Plastikextremitäten zusammen mit den lieben Kleinen fesseln von der Dramatik römischer circenses, und hauchen ihnen ebenso subtil wie tief den Geist der Antike ein, der durch die Plastikarena weht - hierzu nur noch ein letztes abschliessendes Wort der Vorsicht, denn verschluckbare Kleinteile sind enthalten.

Dienstag, 11. Dezember 2007

Karriereleiter



Donnerstag, 6. Dezember 2007

Sinterklaas

Mit dem heiligen Nikolaus ist es ein bisschen wie mit Wurst. Solange es allen schmeckt, muss man doch nicht so genau wissen, was eigentlich alles drinsteckt. Aber eins steht fest: hinter der Silberfolie eines jeden heutigen Schoko-Nikolaus verbirgt sich ein ziemlich prall gefülltes Objekt von nicht immer ganz koscheren Traditionen und Legenden aus vielen Jahrhunderten und Glaubenskreisen.


Da ist zum einen der historische Nikolaus, der Bischof von Myra, der legendäre Watschenverteiler vom Konzil von Nicäa. Um ihn ranken sich zahlreiche Wunder und Legenden, deren Ursprung wohl kaum aufgedröselt werden kann - dazu gleich mehr.

Als die Muslime das Gebiet der heutigen Türkei und damit auch den Ort eroberten, wo das Grab des heiligen Nikolaus lag, schiffte man seine Gebeine Ende des 11. Jhdt. nach Bari. Spätestens nach den Kreuzzügen war Nikolaus, zumal Schutzpatron der Seefahrer und damit auch Lieblingsheiliger der Hanse, in old Europe wieder en vogue. Für die anschließende Zeit ist auch schon der Brauch des Herausstellens der Schuhe belegt, welche den Armen dann mit Geldstücken gefüllt wurden - in Anlehnung an die Legenda aurea, nach welcher der heilige Nikolaus Goldklumpen durch ein Fenster zu drei Jungfrauen warf, welche der Vater zwangsprostituieren wollte, da er die Mitgift zum Verheiraten nicht aufbringen konnte:
Tunc quidam contermineus suus satis nobilis tres filias ob inopiam prostituere cogitur, ut sic earum commercio aleretur. Quod ubi sanctus comperit, scelus abhorruit et massam auri panno involutam in domum eius per fenestram nocte clam iecit et clam recessit. Mane autem surgens homo massam auri reperit et Deo gratiam agens primogenitae nuptias celebravit.


(Legenda aurea, Historia Sancti Nicolai)

(Lorenzetti, Der liebevolle Nikolaus, 1332, Louvre Paris)
Das Gebiet um Bari, wohin die Gebeine des heiligen Nikolaus damals überführt wurden, wurde dann im 16. Jhdt. Herrschaftsgebiet von sacco-di-Roma-Karl V., was dieser dann samt den Niederlanden und Spanien Söhnchen Phillip II. vermachte. Da die Flaggen in Konstantinopel schon längst auf Halbmond flaggten, konnte der Nikolaus alljährlich natürlich auch nicht mehr aus der Türkei kommen. Daher kam er jetzt kurzer Hand aus Spanien. Woher er übrigens heute noch Jahr für Jahr mit dem stoomboot, dem Dampfschiff, in die Niederlanden anreist.

Den Nikolaus aus dem katholischen Spanien fanden die protestantischen Christen in den Niederlanden nach anti-spanischen Aufständen dann im 16. Jhdt. niet zo goed, und auch Luther hatte sich schon zuvor beschwert über den Sinteklaas, dieses Konglomerat aus katholischer Heiligenspeichelleckerei und heidnischen Traditionen.


Dass Sinterklaas auf einem weissen Pferd über den Dächern dahergeritten kommt, kann in der Tat leicht erinnern an Odin - und hatte der nicht auch einen weissen Bart?


Doch konnten wohl auch die nüchtern-kühlen protestantischen Herzen nicht den mandarinengroßen Augen der kinderen widerstehen, die am pakjesavond nach Sinterklaas fragen. Und so hielt und entwickelte sich die Tradition von Spielzeug, zähem Kuchen und appeltje van oranje irgendwie über die Jahrhunderte, wie auch niederländische Maler des 17. Jhdt. belegen:

Jan Steen, Het Sint Nicolaasfeest, ca. 1665, Amsterdam


Die Niederländer schienen den Sinterklaas so sehr zu mögen, dass sie ihn auch mit in die neue Welt nahmen. Dort wurde er sogar Schutzpatron von Neu-Amsterdam, dem späteren New York. Durch den Fleischwolf der Lautentwicklung gedreht und gewürzt mit einem guten Schuss Coca-Cola-Werbestrategien war Sinterklaas als pausbäckiger Santa Claus im roten Mantel dann Anfang des 20. Jahrhunderts fertig für einen Reimport nach old Europe, wo er heute als Weihnachtsmann sein Unwesen treibt...

Nachtrag 26.12.07: eine thüringische Postkartensammlerin begs to differ...

Dienstag, 4. Dezember 2007

Lass uns Kloschildchen gendern

Unsere Gesellschaft drückt sich vor der nackten Wahrheit bei der Unterscheidung der Geschlechter an der Tür zur öffentlichen Toilette. Sie verweist vielmehr auf Merkmale, welche per Konvention den Mann von der Frau unterscheiden, und somit vor der Ohrfeige im Damenklo bewahren sollen. Die Auswahl dieser geschlechterspezifischen Merkmale kann manchmal mehr, manchmal weniger subtil geschehen, und regt nicht selten zum Nachdenken über zeitliche und gesellschaftliche Umstände an...

1) Uni Freiburg, KG 1













Distinktionsmerkmal: Invertierte Oberkörperform
♂ männlich breite Schultern
♀ männlich breite Schultern werden umgekehrt zu körperverhüllender Damenoberbekleidung


2) Uni Freiburg, KG 1











Distinktionsmerkmal:
♂ breit geöffnete Beinhaltung
♀ Miniröckchen unterstreicht Effekt der Wespentaille, züchtig-keusche geschlossene Beinhaltung

3) Zentrum St. Thomas, Strasbourg



















Der Betreter dieser Toilette identifiziert über die Mode, was die Gesichtslosigkeit der Zeichnungen unterstreicht. Klassische Accessoires versprühen Chic und Charme aus der Zeit der großen Gründungswelle christlicher Gemeindezentren:

♂ Slipper, Schlaghose, Rollkragenpulli, volumenreiche Kopfbedeckung
♀ elegante Schühchen, taillenbetontes Sommerkleid, Brieftasche

4) Gartenanlage von Versailles



















Distinktionsmerkmal:
Mythisch-göttliche Rollenerwartungen der Antike
♂ Herakles mit Keule und Löwenfell (Palazzo Altemps, Rom?)
♀ Venus (pudica-Typus, Venus Capitolina)


5) McDonald's, Roma, Pantheon







(männliche Version steht aus
bis zum nächsten Besuch in der
ewigen Stadt)








Wir erinnern uns an eine traurige Episode, in der ein kleines blondes Mädchen in bitterste Hilflosigkeit gestürzt wurde, da sie die falsche Frisur für diese Toilette besaß ...

6) Walfisch, Freiburg











Kein ungerechtfertigter Aufwand. Unmissverständliches Zusammenspiel zwischen Schrift und Zeichen. Unkompliziert und ehrlich. Wie der Rest der Lokalität.

7) Nadelberg, Basel













Es greift erneut das Prinzip der Forminversion (siehe oben unter 1). Höchste Abstraktion des Menschen in klare Formen der Geometrie.


8) Bode-Museum, Berlin













Die monumental-makelosen, in winckelmann'schem Weiß gehaltenen Formen lassen kaum erahnen, zu welch kathartischem Treiben der WC-Besucher die braune Türe hinter sich schließt. Ein wahrhaft würdevoller Tempel der Venus Cloacina, auf welchem thronend das Göttliche sich in uns regt. Unterschiede zwischen Mann und Frau verkümmern im Erhabenen des Klassizismus zu bloßen Buchstabenabfolgen.

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Sonntag, 2. Dezember 2007

Freiburger Impressionen


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