Freitag, 25. April 2008

Lass uns Kloschildchen gendern (II)

(Fortsetzung von "Lass uns Kloschildchen gendern")

9) Orpheus, Kairo















Der Übergang von Stirn zur Nase des Mannes verkommt zu einer klassisch-griechischen Gerade, während das wollsockengemusterte Haar orientalische Ethnizismen aufzugreifen scheint.

Das Haar der Dame hingegen windet sich zu einer einzigen, dominanten Volute, wie man sie auch in Meisterwerken barocker Architektur finden könnte. Die Ausgestaltung eines Auges nur bricht mit entsprechenden Symmetrieerwartungen und verleiht der Bronzeplastik kubistische Züge.


10) Sultan Hassan Moschee, Kairo






Die klassische Beschriftung setzt auf die geschlechtertrennende Kraft des Wortes allein. Damit mann sich jedoch nicht in Hoffnung auf Blicke unter den Schleier hinter Unkenntnis der Schrift verstecken kann, sind die Tafeln zweisprachig gehalten. Das Material der Tafel deutet die Art der Bestrafung an, die islamisches Recht bei fehlgeleitetem Toilettenbesuch vorsehen könnte.


11) Tal der Könige, Theben












Die Kombination aus Schrift und Ikon lässt keine Zweifel, dass die weltdurchschreitenden Siebenmeilenstiefel des viktorianischen Kolonialismus tiefe Spuren auch im Staub des Tals der Könige hinterlassen hat. Passend zu dieser Zeit wird zur Geschlechterdistinktion weniger auf körperliche Features zurückgegriffen.

Der Mann hebt sich vor allem durch die kolonialwarenverbrennende Pfeife ab - sublimierte Phallossymbolik einer zugeknöpften Zeit?

Die Frau besticht entsprechend dem Zeitgeist durch züchtig geduttete Frisur. Vielleicht möchte der Winkel der prominenten Nase der attitude Rechnung tragen, mit welchem jene upper-class Dame dem Künstler entgegentrat?


12) Schummrige Gaststätte, irgendwo in Baden


















Bronzeplättchen, auf braungebeizte Bohlen genagelt, versprühen den Charme urdeutscher Wirtshausromantik. Auffallend ist auch die joviale Darstellung der Protagonisten mit lässig-dynamischer Hand in der Hüfte und des zum Tanze auffordernden Verhältnisses von Stand- und Spielbein.

Dem letzten Schrei der Mode entsprechend hat der modebewusste Herr seinen Konfirmationsanzug vom Speicher geholt.

Die Dame glänzt in eleganten Schuhen und tiefgeschnittenem, eng um die Taille gerafftem Kleid mit weitspreizender Unterkrempe.


13) Bahnhof, im Herzen des Markgräflerlandes















Kunsthistorisch scheinen diese Exemplare den zuvor beschriebenen Typus einer früher früheren Epoche von Versandhauskatalogen vorauszusetzen. Der Künstler empfindet die Regionen unterhalb der Kniescheibe jedoch schon nicht mehr als nicht geschlechterdistinktiv. Die durch die joviale Handhaltung drückt er eine Lässigkeit der Personen aus, die nicht gerade auf starken Harndrang schließen lässt.

Der eng um die Taille sitzende Rock der Dame betont erneut die coca-cola-flaschenartige Körperform - zwei Distinktionsmerkmale der Geschlechter, welche wir in späteren Entwicklungen abstrahiert vorfinden.

Der Mann hingegen schafft den geschlechtertrennenden Gegensatz zu dieser Form durch vertikale Linearität und eine betont volumenarme Frisur.


14) Zahnarztpraxis, Südbaden










Die ungeschlossenen Kreise und geometrischen Formen suggerieren einen infantil-abstrahierenden Stil.

Schon bekannte Disktinktionsmerkmale sind die lambda-förmigen Beine des Männers, zum Erdboden zeigenden Zopf-Hörner der Dame, und der Rock, welcher ein kleiderbügelartig dargestellt wird und unter anatomischen Gesichtspunkten ein tiefer sitzendes Gesäß zu implizieren scheint. Die gestikulierende Handhaltung könnte zudem als Verweis auf eine Geschlechtervorstellung gewertet werden, in welcher das weibliche Geschlecht als mitteilungsbedürftiger angesehen wurde.


15) Coffeeshop, Baden-Baden












Mit einer raffinierten Brechung der Erwartungshaltung begrüßt dieses Schildpaar den Klogänger, der diese Bilder in eben jener Perspektive vorfindet, in der er gerade zum Örtchen schreitet.

Primäres Geschlechtsmerkmal sind hier die Tätigkeiten, welche Mann / Frau nach entsprechender Geschlechtervorstellung aufrecht stehend am wahrscheinlichsten auf der Toilette vollziehen:

♂: Urinieren.
♀: Sich schminken.

Der anonyme Künstler suggeriert dies auf männlicher Seite durch die gebuckelte Urinator-Stellung, auf weiblicher Seite durch das Andeuten eines Spiegels. Klassische Merkmale wie Unterschiede in Frisur und Schuhwerk, und die klassische konvex-konkave Körperforminversion runden diesen innovativen Ansatz ab.

Labels:

0 Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Abonnieren Kommentare zum Post [Atom]

<< Startseite